GEWEBTE ELEGANZ – Zum 200. Jubiläum der Firma Graumann
Prof. Dr. Herbert Lachmayer hat 2014 ein Konzept für einen Text-Bild-Band anlässlich des 200. Gründungsjubiläums der Firma Graumann vorgeschlagen, welches er leider krankheitsbedingt nicht umsetzen konnte.
Der 128-seitige Text-Bild-Kunstdruck nimmt die Geschichte der Firma Graumann zum Anlass, an der gesellschaftlichen Lebenswelt prominenter Kunden ein soziokulturelles Panorama zu entwerfen, welches sich um die Qualitätsprodukte des Unternehmens dreht. Ob es die Grand Hotels waren oder Kaufhäuser wie Harrod’s, respektive das englische Königshaus selbst, die Graumann’schen Produkte besetzten als Accessoires den Alltag einer vornehmen Lebensart der oberen Gesellschaft des 19. und auch 20. Jahrhunderts. Es wird erklärt, wie exklusiv die Ansprüche der Klientel etwa bei Frotteetextilien waren, es wird verständlich, wie flexibel ein Unternehmer von europäischem Rang in einer Zeit des Hochkapitalismus sein musste, um einerseits den Qualitätslevel zu erhalten oder zu steigern, und andererseits gewieft genug sein musste, gegenüber neuen Tendenzen sensibel zu sein – jedenfalls ist es vor allem auch eine kulturelle Leistung eines Unternehmens mit den eigenen Produkten den höchsten Ansprüchen einer europäisch-internationalen Gesellschaft zu genügen, die mit immer neuen Verfeinerungen ihrer Lebensart, ihrem Bedürfnis nach Komfort und ihrer Sehnsucht nach Luxus eine permanente Herausforderung an die Textilindustrie war. Der Bogen, den die Inhalte des Buches spannen, reicht von der Darstellung der Unternehmerpersönlichkeiten der Familien Graumann und Lang, über die permanenten Erneuerungen avancierter Techniken und der notwendigen Adaptionen der ökonomischen Strategien an die Situation des Textilwelthandels, über ein lebendig anschauliches Panorama der noblen Geschäfte, Hotels und Wohnstätten der Endabnehmer in Europa und den USA, bis hin zur Darstellung des Wandels der Textilindustrie in den Turbulenzen der Nachkriegszeit und dem Konkurrenzkampf der Firmen im Zuge einer Konsumgesellschaft, die sich nicht mehr an den exquisiten Kriterien einer Kundschaft orientiert, sondern schon ans Massenprodukt gewöhnt ist. Der Standort „Stadt Traun“ ist zwangsläufig ein „großes Thema“ des Text-Bild-Bandes – und damit ist die Firma Graumann mit ihrer Geschichte auch in die Geschichte Oberösterreichs mit eingeschrieben, ein Umstand, den die Publikation sehr wohl berücksichtigen wird, in einer Zeit von Globalität vor Augen zu führen, welche „hierarchischen“ Dimensionen einst mit dem Übergang von lokal zu regional, zu landesweit, bis hin zu den urbanen Kulturen der Großstädte Wien, Mailand, Stockholm, Hamburg, Amsterdam (etc.) oder den Metropolen Paris, London, Berlin durchlaufen wurden, um die ständischen Mentalitäten und den enormen Luxusanspruch von Großbürgertum und Adel überhaupt nachvollziehen zu können. So stellt der Text-Bild-Band auch eine Tour d’horizon durch die europäischen Lebensstile dar, die damals sicher noch kein LifeStyle waren, sondern eine, dem Anspruch ständiger Genussverfeinerung unterworfene, LebensArt – wobei bildende Kunst und Architektur als erweiterte Geschmacksdimensionen für die exquisiten Textilprodukte auch einen Bezugspunkt darstellte: Musste doch ein Frotteemantel als ästhetisches Objekt „stark“ oder unauffällig genug sein, um beim Durchschreiten einer repräsentativen Villa des 19. und 20. Jahrhunderts beispielsweise als Morningdress der Dame vom Interieur und der künstlerischen Qualität der Gemälde an den Wänden nicht etwa deplatziert zu erscheinen. Die Welt der Gesellschaft darzustellen, ist der Publikation gleichermaßen ein Anliegen, wie die technologischen Erneuerungen/Erfindungen, welche im Graumann’schen Werk getätigt wurden. So verfolgt die Publikation die Absicht, mit der Geschichte und den Geschichten der Firma „in der Gegenwart anzukommen“, also auch für ein jüngeres und junges Publikum Industriegeschichte als eine Gesellschaftsgeschichte begreifen zu lernen, als einen Spiegel für unsere heutige gesellschaftliche Situation und eine Reflexion auf die Geschichte des Konsumverhaltens – exemplarisch dargestellt an den Produkten der Firma Graumann. Der Text-Bild-Band steht aber auch im Bezug zur Präsentation der Sammlung von Stoffproben im Haslacher Textilmuseum. Insgesamt richtet sich die Publikation an ein kulturinteressiertes Publikum generell, aber vor allem auch an ein Experten- und Fachpublikum: Für diese ist die Publikation ein Stück gut recherchierter Unternehmens- und Sozialgeschichte einer einst weltbekannten Firma im Herzen von Oberösterreich.