Aus den Annalen

Karoline wurde am 17.4.1819 in Braunhirschen Nr. 67 (heute Wien 15, Grimmgasse 20) als einzige Tochter des Friedrich Graumann und der Josefa geb. Posadowsky geboren und nach röm.kath. Ritus getauft. Im Alter von dreizehn Monaten wurde sie gegen Kuhpocken geimpft.

Als Kind mußte sie in einem Wirtshaus in der Ullmannstraße an Sonntagen Geschirr waschen usw., um das Kochen zu lernen. Sie wurde auch im väterlichen Geschäft eingespannt, wodurch sie den Handweber Josef Lang kennen und lieben lernte. Am 28.6.1836 vermählte sie sich in ihrem 17. Lebensjahre mit demselben. Zwei kleine Episoden anläßlich ihrer Trauung:

Als Traukleid wurde ein Stoff verwendet, der gerade am Stuhl war. Zur Hochzeit trug sie Messingstöckeln. Die Trauung fand um 6 Uhr früh in der Reindorfer Kirch in aller Stille statt. Als sie von der Kirche heimkam, mußte sie sich gleich umziehen und auf Veranlassung ihrer Mutter im Geschäft Ware putzen.

Nach dem Tode ihres Vaters gründete sie als Universalerbin mit ihrem Mann die offene Handelsgesellschaft „Friedrich Graumann’s Eidam & Comp“, in welche sie als offener Gesellschafter eintrat. Ihr Mann soll ihr erst das Schreiben beigebracht haben; ihre Schriftzüge waren schwerfällig, sie schrieb auch orthographisch unrichtig. Von ihren Kindern mit Ausnahme von Rosa und Rudolf wurde sie mit „Sie“ angesprochen. Sie war eine sehr energische Frau, etwas jähzornig und im Alter auch etwas eigensinnig, dabei doch eine fürsorgliche gute Mutter und von jeher der Mittelpunkt der großen Verwandtschaft. 1864 erkrankte sie an Rotlauf, war ansonsten aber kerngesund. Sie war mittelgroß und überragte ihren Mann, war kräftig aber eher mager. Ihre Haare waren mittelbraun, die Augen blaugrau. Sie sprach mit wienerischem Akzent.

In späteren Jahren, als ihre Kinder – sie schenkte 18 Kindern das Leben, im 47. Lebensjahre den jüngsten – zum Teil erwachsen waren, betätigte sie sich im Geschäft in der Garnausgabe, Spulerei und Schweiferei, war aber auch sonst immer rührig dahinter, daß die Leute tüchtig arbeiteten. Von der Firma erhielt sie Warenabfälle (Brameln), die sie eifrig zerzupfte. Selbst in ihrem hohen Alter stand sie auch im Winter schon um 5 Uhr auf, zupfte auf der Geschäftsstiege sitzend Fleckerln, abends nach dem Essen nahm sie diese Tätigkeit wieder auf. Aus dem Erlös der verkauften Garnfäden bestritt sie die Geschenke für das Weihnachtsfest. Sie wurden unter einem großen Weihnachtsbaum, im sogen. großen Magazin im I. Stock, um dem sich in patriarchalischer Weise außer den Familienangehörigen mit ihren Kindern und zahlreichen Enkelkindern auch das im Haus wohnende und verköstigte Geschäftspersonal alljährlich versammelten, auf einer langen Tischreihe aufgestapelt. Auch beaufsichtigte sie die Putzerinnen. Sehr gerne fuhr sie in die Fabrik nach Traun, wo sie auch in ihrem hohen Alter immer gern verweilte. Sie wurde von ihrer Mutter und vermutlich auch von ihrem Mann Lini gerufen. Ihre Ehe war eine äußerst glückliche und sie hatte zu ihrem Mann eine große Liebe. Für ihren Sohn Wilhelm hegt sie eine besondere Vorliebe und Ehrfurcht. Durch ihre überaus strenge Mutter genoß sie eine sehr harte und primitive Erziehung, von früh bis spät abends mußte sie im Geschäft mitarbeiten. Im hohen Alter wurde sie riesig mißtrauisch und am Alten hängend, gerne spielte sie in der kleinen Lotterie.

Sie war aber nicht nur eine rastlos tätige Geschäftsfrau, sondern sie übte ihre Werke der Barmherzigkeit aus, überall persönliche Hilfe bringend, wo Krankheit oder Unglücksfälle dies erforderten und machte hierin keinen Unterschied zwischen ihren Familienangehörigen, Beamten oder Arbeitern. War ein Arbeiter erkrankt, band sie sich ein Kopftüchl um und ging persönlich nachsehen, damit jede Hilfe geleistet wird. Sie war ebenso mildtätig als gottesfürchtig. – 1890 spendete sie 500 fl (Gulden) an den Kirchenverein Traun zur Errichtung eines Altars.

Am 20.7.1894 schied sie als öffentliche Gesellschafterin aus.

Am 1.2.1903 um 2.45 Uhr verschied sie im 84. Lebensjahr und wurde am Hietzinger Friedhof in der Familiengruft bestattet; unermüdlich arbeitend bis zum Schlusse ihrer Lebenstage. An ihrem letzten Krankentage gingen die Hände auf der Decke tastend hin und her, so, als ob sie Halstücher vor sich habe, um sie durchzusehen und zu falten, was ihre liebste Arbeit war. „Die alte Frau“ wie sie im Hause hieß, trotzdem keine junge da war, war die typische Vertreterin des alten wohlhabenden Bürgertums, fleißig, wohltätig und sparsam, sogar so weitgehend, daß sie sich bis zum Schlusse um jedes Endchen Spagat bückte.

„Die letzte Graumann ist gegangen“ meinte ihr Sohn Wilhelm Lang, als er die traurige Mitteilung des Todes seiner Mutter bekanntgab. In ihren letzten Lebensjahren litt sie an Verkalkungen des Gehirnes, eine 1896 in Karlsbad gebrauchte Kur, begleitet von ihrer Tochter „Mann“, störte merklich ihre geistigen Kräfte. 2 Jahre darauf wurde Fräulein Else Navradil als Pflegerin aufgenommen, der es oft kaum gelang, die eigensinnige Frau richtig zu behüten, auch ein dreifacher Leistenbruch machte ihr viel zu schaffen. Nach wochenlangen Störungen der Verdauungsorgane und Lähmungen des Bewußtseins trat durch Altersschwäche das Ende ein – die letzte Zeit erhielt sie nur ihre Zähigkeit und ihr nicht zu brechender Lebenswille.

In ihrem Testamente vermacht sie der Josef Lang’schen Stiftung für Studierende 4000 Kronen, dem Weberwitwen-Pensionsinstitut einen Betrag, welcher der Summe der von ihr bis zum Todestage von derselben erhaltenen Pensionsbeiträge gleichkam (6000 Kronen), den Armen Wiens 4000 Kronen, den armen Webern in 6 Faktoreien 1200 Kronen, der Suppen- und Kinderbewahranstalt je 200 Kronen, jedem Arbeiter in Wien 20 Kronen, den Dienstleuten je 40 Kronen, der Firma Friedrich Graumann’s Eidam & Co. 10.000 Kronen. Die Zinsen dieses Kapitals waren zur Unterstützung bedürftiger Arbeiter in Traun bestimmt.

In Karoline Lang haben sich charakteristische „Graumann“-Eigenschaften wie Größe oder die energischen, etwas eigenwilligen Charakterzüge sowie die Lebenslustigkeit vererbt. Von den Töchtern waren besonders die Finsterbeck lebenslustig und auch die „Mann“, ihre Lieblingstochter. Dagegen haben die Söhne Wilhelm, Eduard und Josef Friedrich mehr die „Lang“ Eigenschaften geerbt. Sie hielt wie ihr Gatte sehr viel auf ein gutes Glas Wein und trank wie er jeden Mittag und Abend ein Glas gewässerten Wein. Sie nahm auch öfters an den Heurigenfahrten ihres Mannes teil.